Gebrochene, nicht zerbrochene Biografien
DDR-Wissenschaftler:innen wie Christine Wedler und Norbert Langhoff machten Adlershof nach 1990 zur wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte
Nach dem Fall der Berliner Mauer standen viele DDR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler plötzlich ohne Perspektive da. Auch Christine Wedler und Norbert Langhoff mussten neu beginnen – und trugen dazu bei, dass Adlershof nach 1990 eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte schreiben konnte.
Christine Wedler, promovierte Chemikerin, gründete 2000 zusammen mit Professor Hans Schick (1937–2016) die ASCA GmbH Angewandte Synthesechemie Adlershof. Ihr Unternehmen entwickelt heute Referenzmaterialien zur Analyse von Schadstoffen in Lebensmitteln und Umwelt und beliefert Pharmafirmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ende Oktober 2025 feiert ASCA ihr 25-jähriges Bestehen.
Wedler arbeitete seit 1973 am Zentralinstitut für Organische Chemie (ZIOC). Es gehörte zur Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) und wurde nach der Wiedervereinigung mit ihr aufgelöst. Wedler und Schick hatten Glück und konnten im neu gegründeten Institut für Angewandte Chemie (ACA) weiterforschen – bis der Berliner Senat die Finanzierung stoppte. 1997 wurden beide arbeitslos.
Norbert Langhoff, habilitierter Ingenieurwissenschaftler, leitete das Zentrum wissenschaftlicher Gerätebau Berlin-Adlershof (ZWG). Das ZWG mit seinen rund 1.700 Beschäftigten war ein DDR-Spezifikum. Aufgrund chronischen Devisenmangels und westlicher Embargobestimmungen musste möglichst viel hochwertige Technik im eigenen Land entwickelt und gefertigt werden. Die Geräte des ZWG waren nicht nur in der DDR, sondern in allen Staaten des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) gefragt.
Langhoff besaß 1989 als einer der wenigen AdW-Direktoren das Vertrauen seiner Mitarbeitenden. Er bildete 1990 eine Arbeitsgruppe, die sich Gedanken darüber machte, wie eine Zukunft des ZWG in der Marktwirtschaft aussehen könnte. Die Idee war es, Unternehmen zu gründen und diese in einer Holding zusammenzufassen, schließlich hatten „wir gelernt, wie aus Wissen Arbeit wird“. Aus seinem Plan wurde jedoch nichts, denn mit der AdW wurde Ende 1991 auch das ZWG aufgelöst.
Als am 12. März 1991 die Entscheidung fiel, in Adlershof eine „integrierte Landschaft aus Wirtschaft und Wissenschaft“ entstehen zu lassen, waren dort bereits über 15 technologieorientierte Unternehmen gegründet worden. Firmen wie die Lasertechnik Berlin GmbH, die Bestec GmbH oder die Sentech Instruments GmbH wurden rasch international erfolgreich – u. a. mit Stickstofflasern, Ultrahochvakuumanlagen oder Messsystemen für plasmagestützte Technologien.
Langhoff selbst gründete 1990 zunächst ein Technologietransfer-Unternehmen und 1993 die IfG – Institut für Gerätebau GmbH. Sie stellt Geräte für die prozessnahe Analytik und spezielle röntgenoptische Systeme, wie z. B. Röntgenkapillaroptiken her. 2015 verkaufte Langhoff die IfG an die Helmut Fischer GmbH aus Sindelfingen, die die Entwicklung und Produktion in Adlershof auf hohem Niveau bis heute fortsetzt.
Christine Wedler und Hans Schick starteten nach ihrer Entlassung noch einmal neu: Mit einem Modellprojekt gelang es, zunächst für 46 der entlassenen Kolleg:innen die Arbeitsplätze zu sichern. Es war dies die Brücke zur Gründung der eigenen Firma ASCA GmbH im Jahr 2000, die dank guter Kontakte zur Industrie am Markt schnell Fuß fasste. Die Adlershofer Gründerinnen und Gründer der ersten Generation kamen aus der Forschung. Sie eigneten sich das Wissen über die Marktwirtschaft zügig an.
„Wir haben schnell gelernt, nach welchen Regeln die Bundesrepublik funktioniert“, sagt Langhoff, der Ende Oktober dieses Jahres seinen 90. Geburtstag feiert.
Zwar kritisiert Wedler im Rückblick die mangelnde Wertschätzung ostdeutscher Lebensleistungen, betont aber, dass sie „ohne Wenn und Aber“ im wiedervereinten Deutschland angekommen sei. Auch Langhoff hätte sich mehr Mitspracherecht für Ostdeutsche gewünscht: „Mit unserem Wissen hätten sich viele Dinge schneller realisieren lassen.“ Ungeachtet dessen blicken beide stolz auf ihr Lebenswerk, das inzwischen angemessene Anerkennung gefunden hat: Wedler wurde zur „Berliner Unternehmerin des Jahres 2006“, Langhoff erhielt 2011 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Heute steht für die Pionierunternehmen Adlershofs der Generationenwechsel an oder ist vielfach schon vollzogen worden. Viele der neuen Geschäftsführenden waren zur Zeit der deutschen Teilung noch Kinder oder Jugendliche; manche wurden nach 1989 geboren. Ost und West sind für sie nur noch Himmelsrichtungen. Mit Blick auf die Zukunft ihres Unternehmens hat jetzt auch Christine Wedler zwei neue Geschäftsführer (Jg. 1989 und 1991) bestellt.
Dr. Peter Strunk für Adlershof Journal
- ASCA GmbH Angewandte Synthesechemie Adlershof
- Helmut Fischer GmbH - Institut für Elektronik und Messtechnik