Diversität ist ein Gewinn für Unternehmen – wenn sie im Alltag gelebt wird
Im Gespräch mit Anja Dargel, Generalbevollmächtigte der Berliner Sparkasse, und Bessie Fischer-Bohn, Leiterin Personal der WISTA Management GmbH
Die WISTA lädt wiederholt zur Diversity Conference Adlershof. Warum ist das ein Thema?
Bessie Fischer-Bohn: Wir bieten die Rahmenbedingungen für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum im Technologiepark Adlershof. Lange hieß das: Infrastruktur wird entwickelt, Straßen und Zentren werden gebaut. Dann haben wir die Strategie geändert und die Menschen in den Mittelpunkt gerückt: Sie arbeiten innovativ, sie forschen, sie gründen. Das gelingt vor allem in vielfältigen Teams. Dazu kam der Fachkräftemangel und somit die Frage, was können wir bieten, um Adlershof attraktiv zu machen und auch die Unternehmen zu unterstützen, als Arbeitgeber attraktiv zu sein? Was ist nötig, um mit diesen vielfältigen Teams gut arbeiten zu können und sie gut führen zu können? So gelangte das Thema Diversität in den Fokus und das Interesse ist groß.
Die Berliner Sparkasse unterstützt die Konferenz, offenbar sehen auch Sie Nachholbedarf. Warum?
Anja Dargel: Es ist uns ein großes Anliegen, das Thema weiter voranzubringen. Wir begreifen Diversität als Chance und das wird gerade hier in Berlin deutlich. Die Stadt ist international und attraktiv für Menschen unterschiedlicher Couleur. Hier wird Vielfalt gelebt. Das ist nicht immer einfach, aber am Ende profitieren alle davon.
Was kann der Technologiepark Adlershof von der Berliner Sparkasse in puncto Diversität lernen?
Dargel: Das Thema ist nichts, was Sie nebenbei machen, es braucht eine strategische Verankerung. Das heißt auch Ziele formulieren und Fortschritte überprüfen. Für uns ist beispielsweise Teilhabe am Arbeitsleben in allen Positionen für Männer und für Frauen wichtig. Wir wollten bis 2027 40 Prozent Frauen in Führungspositionen haben. Das haben wir bereits 2023 erreicht und sind aktuell bei 42 Prozent auf der zweiten und dritten Führungsebene. Wir wollen als Berliner Sparkasse so vielfältig wie unsere Kund:innen sein. Das berücksichtigen wir auch bei der Einstellung. Jedes Jahr kommen 100 junge Menschen zu uns und wenn wir fragen, welche familiäre Wurzeln sie haben, ergibt das buchstäblich eine bunte Weltkarte, wo in vielen Regionen ein Fähnchen steckt. Sie sprechen die verschiedensten Sprachen – für uns ist das eindeutig ein Gewinn.
Die WISTA engagiert sich sichtbar für Chancengleichheit. Was sind die größten Hürden dabei?
Fischer-Bohn: In vielen Unternehmen findet ein Generationswechsel statt. Je mehr Frauen es gibt, die Verantwortung übernehmen und dabei erfolgreich sind, umso attraktiver ist dieser Weg auch für weitere Frauen.
Mir geht es aber nicht nur um die Gleichstellung von Mann und Frau, Vielfalt hat viele Dimensionen. Zum Beispiel ist die soziale Herkunft für uns ein wichtiges Thema. Wie können wir Schülerinnen und Schüler für MINT-Berufe gewinnen, die nicht aus bildungsnahen Familien kommen? Inklusion ist ebenfalls wichtig. Wir wissen im Technologiepark Adlershof noch zu wenig darüber, ob wir attraktiv für Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen sind und wie die Unternehmen sie für sich gewinnen können. Das wollen wir gern ändern. Darum ist die Konferenz auch so aufgebaut: Angebote für viele Dimensionen der Diversität zu schaffen, mit Vorträgen, Workshops, Austauschformaten.
Neurodiversität ist ebenso ein Thema. Damit sind Menschen gemeint, die beispielsweise Autismus haben, ADHS oder Dyslexie.
Fischer-Bohn: Die Quote an Menschen, die arbeitsunfähig sind aufgrund von psychischen Erkrankungen, steigt immer mehr. Die Themen hängen zusammen: Menschen werden eher psychisch krank, wenn sie gestresst sind am Arbeitsplatz, weil sie irgendwo reinpassen müssen. Wenn Führungskräfte geschult sind, genauer hinzuschauen, hilft das.
Also besser auf persönliche Besonderheiten einzugehen, um die Motivation zu halten?
Fischer-Bohn: Ja. Wir möchten das Bewusstsein dafür öffnen, dass Mitarbeitende unterschiedlich sind und diese Eigenarten akzeptiert werden. Ich glaube, dadurch können Unternehmen viel gewinnen, weil sie mehr Leute einstellen, halten und auch entwickeln können.
Frau Dargel, welche Erfahrung haben Sie in dieser Hinsicht gemacht?
Dargel: Wir haben 2023 eine Inklusionsvereinbarung unterzeichnet. Wir haben zum Beispiel Mitarbeitende mit Höreinschränkungen und es ist normal, dass etwa bei Betriebsversammlungen stets eine Gebärdendolmetscherin dabei ist. In diesem Jahr bieten wir auch Kolleginnen und Kollegen einer gehörlosen Mitarbeiterin an, selbst Gebärdensprache zu lernen.
Diversität betrifft ebenso das Alter der Mitarbeitenden?
Dargel: Oh ja, ein großes Thema. Umso mehr, seit wir gezielt auch Quereinsteiger:innen einstellen, die zwischen 20 und 60 Jahre alt sind und sehr andere Erfahrungen einbringen als klassische Bankkaufleute. Ich kann auch eine Generationenwerkstatt sehr empfehlen.
Was hat es damit auf sich?
Dargel: Wir haben so etwas 2016 erstmals durchgeführt und 60 Leute für einen ganzen Tag zusammengebracht. Alle – vom Azubi bis zum Vorstandsvorsitzenden – waren für diesen einen Tag per Du. Sie wurden in Max-Mix-Teams aufgeteilt, das steht für maximale Durchmischung. Diese Teams haben Probleme nach dem Design-Thinking-Ansatz bearbeitet und es hat wunderbar funktioniert. Das Max-Mix-Prinzip nutzen wir heute auch für andere Aufgaben, beispielsweise in Arbeitsgruppen für Nachhaltigkeit. Und die Du-Kultur haben wir mittlerweile im ganzen Unternehmen eingeführt.
Frau Fischer-Bohn, welche Erfahrungen machen Sie mit Altersunterschieden?
Fischer-Bohn: Natürlich spielen die auch bei uns eine Rolle. Die Situation sollte beleuchtet werden, um Konflikte zu vermeiden und um bestenfalls zu zeigen, wie die Mitarbeitenden voneinander lernen können. Wir machen regelmäßig Teamtage oder haben Teamcoaches, um am Miteinander zu arbeiten. Dafür müssen sich alle aus ihrer Komfortzone bewegen. Das ist immer eine Herausforderung, egal in welcher Generation.
Was hoffen Sie, werden die Konferenzteilnehmer:innen mitnehmen?
Fischer-Bohn: Für mich ist wichtig, dass sie Ideen, Werkzeuge und Handlungsweisen mitnehmen, um das Thema Vielfalt voranzubringen und zum Wohle ihres Unternehmens zu nutzen.
Dargel: Allein große Überschriften auf Papieren werden uns nicht helfen, wir müssen Vielfalt im Alltag leben. Ich wünsche mir, dass die Teilnehmenden viele Anregungen dafür erhalten und mitnehmen.
Ralf Nestler für Potenzial