Der Mars in 3D
Mit einer in Adlershof entwickelten Spezialkamera kartieren Planetengeologin Daniela Tirsch und ihr Team den Mars
Seit über 20 Jahren erforscht die Raumsonde Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA die Oberfläche und Atmosphäre des Mars. Mit an Bord ist Deutschlands bedeutendster Beitrag zur Mission: die am heutigen Institut für Weltraumforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Adlershof entwickelte High Resolution Stereo Camera (HRSC).
Die 20 Kilogramm schwere Kamera verfügt über die besondere Fähigkeit, die Marsoberfläche bei jeder Beobachtung in bis zu neun verschiedenen Winkeln und in unterschiedlichen Wellenlängen abzuscannen. So erzeugt das Team um die leitende Wissenschaftlerin Daniela Tirsch farbige, dreidimensionale Bilder des erdähnlichsten Planeten unseres Sonnensystems, die so detailreich sind, dass sich darauf Felsbrocken der Größe einer Garage erkennen lassen.
Mit dem HRSC-Wolkenatlas veröffentlichte das DLR-Team Ende letzten Jahres eine umfangreiche Datenbank mit Bildern von Marswolken – eine wichtige Ressource für die Planetenforschung. Da die Marsatmosphäre „unfassbar dünn und sehr kalt ist”, bestehen ihre Wolken aus Wasser- und CO₂-Eis. Manche enthalten beträchtliche Mengen an Staub und so sind Staubstürme ein häufiges Wetterphänomen, „von dem wir auf der Erde so glücklicherweise verschont bleiben“, sagt Tirsch. Alle fünf bis sieben Erdenjahre steigern sich diese zu planetenumfassenden Staubstürmen. Warum ist unklar, aber für das Forschungsteam gehören sie zur Folklore: Im November 2024 feierten alle Missionsbeteiligten den Übergang in ein neues Marsjahr mit einem gemeinsamen Silvester-Dinner in Paris. Inklusive Wetten darauf, wann der nächste globale Staubsturm den Mars vollständig umhüllen wird.
Die Arbeit des HRSC-Teams ist Grundlagenforschung, hat aber ganz praktische Implikationen: „Bevor wir Menschen auf den Mars schicken können, müssen wir so viel wie möglich wissen. Klimabeobachtung ist da essenziell. So bereiten wir Missionen vor, um herauszufinden, ob es einst mikrobielles Leben auf dem Mars gab. An höher entwickelte Lebensformen denkt dabei allerdings niemand.“ Sensationalistische Ankündigungen von baldiger Marskolonialisierung, wie die eines Elon Musk, sieht die Wissenschaftlerin kritisch. Sie erwartet erste, kleinere Forschungsstationen nicht vor der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Und auch nur, wenn weiter in die Mars-Forschung investiert wird.
Auf die Forschungsbedingungen in Adlershof angesprochen, gerät sie ins Schwärmen: „Wir sind hier in sehr guter Gesellschaft, das kann ich mit Stolz sagen. Ganz viele schlaue Köpfe.“ Nach Adlershof kam Tirsch schon 2005 als Doktorandin und ist dem Technologiepark seitdem eng verbunden: „Ich habe da eine ziemliche Entwicklung miterlebt. Früher war es ‚weit ab vom Schuss‘, mittlerweile gibt es viele Restaurants, bessere Anbindung und hochinteressante Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen.”
Ein anderer Teil ihrer Arbeit erfüllt Tirsch ebenfalls mit Stolz: Als eine von sechs Mitgliedern eines Gremiums der International Astronomical Union (IAU), entscheidet sie über die Benennung von Oberflächenstrukturen auf dem Mars. Eine Studie von 2023 ergab, dass nur 1,8 Prozent dieser Strukturen nach Frauen benannt sind – ein Umstand, den Tirsch gerne ändern würde. „Marskrater mit über 50 Kilometern Durchmesser werden nach Menschen benannt, die sich beispielsweise in der Marsforschung verdient gemacht haben. Bei Frauennamen gibt es Nachholbedarf.“ Mit ihrer Arbeit trägt die Planetengeologin also nicht nur zur Erforschung unseres Nachbarplaneten bei, sondern auch zur Sichtbarkeit seiner Erforscherinnen.
Simon Wolff für Adlershof Journal
