Bis zu 26.000 elektrische Lkw in Berlin bis 2045
Studie von Reiner Lemoine Institut und Öko-Institut zeigt, wie die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs gelingt
2045 könnten bis zu 26.000 elektrische Lkw mit einem Gesamtstrombedarf von bis zu 430 GWh pro Jahr in Berlin gemeldet sein – das entspricht dem Jahresverbrauch von etwa 100.000 Haushalten und erfordert ein starkes und zukunftsfähiges Stromnetz. Die Ladeinfrastruktur (LIS) in der Hauptstadt muss dafür bedarfsgerecht ausgebaut werden. Um die Klimaziele für 2045 zu erreichen, ist die Elektrifizierung dieses Verkehrsbereichs ein entscheidender Baustein. Sie kann außerdem helfen, in der Hauptstadt die Luftqualität zu verbessern und die Lärmbelästigung zu verringern. Zu diesen Ergebnissen kommen Wissenschaftler:innen vom Reiner Lemoine Institut (RLI) und vom Öko-Institut in einer gemeinsamen Studie für die Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO).
„Unsere Ergebnisse zeigen: Wir müssen die Energieversorgung und Ladeinfrastruktur für E-Nutzfahrzeuge in Berlin jetzt planen und gezielt ausbauen. Der Markthochlauf muss datenbasiert begleitet werden. Standortanalysen und Monitoring helfen, Ladeinfrastruktur passgenau zu planen und erfolgreich umzusetzen“, sagt Jakob Wegner, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Mobilität mit Erneuerbaren Energien am RLI und Leiter des Projekts.
Ziel der Untersuchung war es, den Ladebedarf für schwere E-Nutzfahrzeuge (> 3,5 t) in Berlin bis 2045 zu prognostizieren und Handlungsoptionen für Politik und Wirtschaft abzuleiten. Das Projektteam hat 23 Maßnahmenempfehlungen vor allem für die Landesagentur eMO Berlin sowie die sonstige Berliner Landesverwaltung und -politik formuliert, die in den Maßnahmenkatalog der Gesamtstrategie Ladeinfrastruktur des Landes Berlin eingearbeitet werden. Die zentralen Ergebnisse der Studie sind:
- Batteriebetriebene Lkw sind ein Schlüssel zur Klimaneutralität in Berlin – aber noch kaum auf den Straßen unterwegs.
Unter 1 % der schweren Lkw in Berlin fahren aktuell elektrisch. Damit ist das Potenzial für CO₂-Einsparungen im Güterverkehr noch weitgehend ungenutzt. - Bis 2045 wird der Bestand an E-Lkw schwerer als 3,5 t auf bis zu 26.000 Fahrzeuge wachsen – ihr Strombedarf entspricht dem von 100.000 Haushalten.
Je nach Szenario steigt der Strombedarf für E-Lkw auf bis zu 430 GWh im Jahr 2045. Das erfordert ein starkes und vorausschauend geplantes Stromnetz. Im Vergleich zum prognostizierten Bedarf elektrischer Pkw ist dies allerdings wenig. Im Vergleich wird der Bedarf der elektrischen Pkw im Jahr 2030 schon bei über 700 GWh liegen. Zudem plant Stromnetz Berlin seine Netzkapazität stark auszubauen. Bis 2030 plant der Stromnetzbetreiber die Netzkapazität zu verdoppeln. - Unternehmen sind zentrale Ladeorte: Über 80 % des Stroms wird direkt auf Betriebsgeländen in die Fahrzeuge geladen.
Laden im eigenen Depot ist der wichtigste Anwendungsfall. Öffentlich zugängliche Ladehubs sollten das Angebot ergänzen, vor allem für Fernverkehre und Fälle, in denen keine eigene Ladeinfrastruktur im Depot aufgebaut werden kann. - Berlin braucht im Jahr 2045 bis zu 360 öffentlich zugängliche Ladepunkte für den Schwerlastverkehr.
Auf öffentlich zugänglichen Flächen entsteht zusätzlicher Bedarf – Ladehubs in Gewerbegebieten und an Verkehrsachsen werden entscheidend. - Ladeinfrastruktur muss dort entstehen, wo heute schon viele Lkw verkehren: Industrie- und Logistikstandorte bieten das größte Potenzial.
Produzierendes Gewerbe und Logistikzentren sind die Hotspots der E-Lkw-Zukunft. Hier sollte der Aufbau von Ladeinfrastruktur prioritär beginnen. - Berlin braucht maßgeschneiderte Lösungen für Stadt und Umland.
In der Innenstadt können Platz und Netzanschlüsse knapp werden. Der meiste Ladebedarf wird im Brandenburger Umland entstehen, da hier die großen Logistikzentren liegen. Hier helfen Kooperationen mit Brandenburger Kommunen und Unternehmen.
Datenlücken müssen geschlossen werden
Für die Umsetzung der Ladeinfrastrukturstrategie müssen aktuelle Datenlücken geschlossen werden. „Wir wissen noch zu wenig über die tatsächlichen Einsatzmuster und Standorte der Lkw. Das verzögert die Umstellung auf Elektromobilität. Eine enge Kooperation zwischen öffentlicher Verwaltung, der privaten Wirtschaft und Verteilnetzbetreibern ist notwendig, um die Ladeinfrastruktur dort zu schaffen, wo sie am dringendsten gebraucht wird: an den Orten, an denen die meisten Lkw starten und enden“, sagt Wegner.
Verbesserung der Luftqualität und Minderung von Lärm
Die Umstellung des Lkw-Verkehrs in Berlin auf Elektromobilität kann sich positiv auf andere Lebens- und Arbeitsbereiche der Berliner Bürger:innen auswirken: Eine klimafreundliche Lkw-Flotte könnte nicht nur die Luftqualität und den Lärm in der Hauptstadt verbessern, sondern auch Arbeitsbedingungen für die Menschen im Transportsektor.
Methode
Für die Berechnungen haben die Expert:innen des RLI den Status Quo erfasst, relevante Standortkategorien und Lade-Use-Cases identifiziert sowie den aktuellen Stand bei der Elektrifizierung von schweren Nutzfahrzeugen erfasst. Mittels Geoanalyse hat das Team wichtige Standorte für den LIS-Aufbau gefunden. Außerdem haben die Expert:innen das Mobilitätsverhalten von schweren Lkw in Berlin untersucht. Dafür haben sie Datensätze analysiert, um Fahrten und Parkvorgänge von schweren Nutzfahrzeugen in Berlin, nach Fahrzeugklasse und Branche aufgeschlüsselt zu erfassen. Die Studie ist für den internen Gebrauch der eMO und der Senatsverwaltung gedacht und nicht öffentlich zugänglich.
Kontakt:
Jakob Wegner
Reiner Lemoine Institut
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
+49 30 1208434-87
jakob.wegner(at)rl-institut.de
reiner-lemoine-institut.de
RLI-Pressemitteilung vom 12.08.2025