Page 15 - Adlershof Journal September/Oktober 2016
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MEDIEN





        Ist lineares TV nur noch etwas für Ältere?             „Die alte Tante Fernsehen zwängt sich ins sexy Digital-
        Ich glaube, lineares Fernsehen ist für Leute, die nicht interaktiv   Kleidchen. Ein altes Medium, das sich ein neues einverleibt,
        sein  wollen.  Leute,  die  viel  arbeiten,  die  keine  Lust  haben,  im     wirkt einfach nur zombiehaft“, schreibt die FAZ. Was sind für
        Internet  ihr  Programm  zu  suchen.  Lineares  Fernsehen  wird    Sie Fernsehformate der Zukunft? Wie ergänzen und komplemen-
        es  noch  sehr,  sehr  lange  geben.  Ich  nenne  es  das  Laid-Back-   tieren sich neue und klassische Medien?
        Fernsehen.                                            Ich glaube, es wird für ganz lange Zeit noch beide Medienarten
                                                              geben. Ich möchte, dass Polyphon beide Verbreitungswege wei-
        Content wird für unterschiedliche Formate unterschiedlich ent-  terhin bedient. „Familie Braun“ – fürs Internet gemacht – wurde
        wickelt, oder?                                        im Fernsehen und im Internet ausgestrahlt und war auf beiden
        Nach allgemeiner Meinung gehören kurze Formate ins Internet.   Wegen sehr erfolgreich. Das schließt sich nicht aus. Mit solchen
        Das ist falsch formuliert. Kurze Formate gehören in den Kontext   kleinen Projekten fallen wir auf und zeigen, dass die Polyphon ein
        von kurzen Formaten, also YouTube, Facebook, in eine bestimmte   breites Portfolio hat.
        Netzwerkrubrik.  Über  das  Internet  kann  man  aber  auch  lange
 Beatrice Kramm, Geschäfts-  Formate gucken – siehe Mediatheken. Content richtet sich nach   RTL hatte kürzlich eine Sitcom-Offensive gestartet, bei der 330
 führerin der Film- und Fern-  der  Plattform.  Wenn  wir  Plattformen  mit  einer  spezifischen    Ideen eingereicht wurden. Nur drei werden umgesetzt. Eine da-
 sehgesellschaft Polyphon   Nutzergruppe  begeistern  wollen,  versuchen  wir,  Stoffe  und    von ist die Polyphon-Produktion „Magda“. Finden Sie die Quote
 und seit März dieses Jahres   Formate dahin zu entwickeln. Die gute Idee steht aber in jedem   3 von 330 erstaunlich?
 Präsidentin der IHK, schreibt   Format an erster Stelle.     Ich bin sehr stolz, dass wir das machen dürfen, und froh, dass sich
 lineares Fernsehen noch lange                                unser Partner RTL so etwas wie „Magda“ traut. Das ist schon an-
 nicht ab und gibt Antworten   Wie reagiert Polyphon auf die veränderten Sehgewohnheiten der   ders, als wir Comedy in Deutschland bisher gewohnt sind. Wenn
 zu den Fernsehformaten der   Zuschauer?                      ein  Sender  einen  Aufruf  startet,  dann  kommen  wirklich  viele
 Zukunft.  Es ist kein Geheimnis, dass immer weniger Leute lineares Fern-  Konzepte. Fünf Piloten wurden produziert. Drei werden dann zu
        sehen  schauen.  Viele  sehen  allerdings  dieselben  Programme   Serien. Wichtig ist, dass Sender weiterhin produzieren. Die Quote
        im Internet. Wir überlegen genau, welchen Content wir für Sky,     überrascht mich nicht.
        für Netflix oder die Strukturen, die hauptsächlich übers Internet
        gesteuert  werden,  produzieren  können.  Ohne  dabei  unsere   Die Serie „Deutschland 83“ wurde im Ausland hochgelobt und
        Mainstream-Programme fürs Fernsehen zu vernachlässigen.   hatte in Deutschland nur schwache Quoten.
 Mit Neugier auf neue Programme dabei:
 Beatrice Kramm  Denn  das  sind  die  Programme,  die  immer  noch  die  größte    Nichtsdestotrotz ist es richtig und wichtig, zu versuchen neue
        Resonanz und Zuschauergemeinde haben. Am Ende des Tages
 Serien machen    setzt sich Qualität immer durch.            schwierig, Zuschauer vor dem Bildschirm und über die erste Fol-
                                                              Wege  beim  Serienerzählen  zu  gehen.  Es  bleibt  komplex  und
                                                              ge  hinweg  zu  halten.  Darum  sage  ich:  Serien  machen  ist  eine
                                                              große Kunst. rb
 ist eine große Kunst


              Die Crew des „Traumschiff”
           v. l. n. r.: Dr. Sander (Nick Wilder),
               Beatrice (Heide Keller) und
         Kapitän Viktor Burger (Sascha Hehn)
                Foto: © ZDF/Dirk Bartling

 Wie lange kennen Sie Adlershof, welche Erinnerungen haben   Ein Programm, das mit meinem Namen und der Polyphon eng
 Sie an Ihren Start hier?  verbunden wird, ist die Serie „Doctor’s Diary“. Sie war etwas ganz
 Beatrice Kramm: Den Standort kenne ich persönlich seit 1991. Es   Neues  im  deutschen  Fernsehen.  Aber  auch „Familie  Dr.  Kleist“
 war eine Bitte von Studio Berlin, zu schauen, ob wir davon profi-  oder „Magda macht das schon!“ sind hochwertige Projekte, die
 tieren können, alle an einem Ort zu sein. Wir waren Pioniere und   ich  selber  entwickelt  habe  und  die  unser  Spektrum  ergänzen.
 fühlen uns auch so.   Bis hin zur traditionsreichen Produktion „Das Traumschiff“ oder
 auch „Familie Braun“, eine unserer neuen, kleinen Kostbarkeiten,
 Welchen Eindruck haben Sie heute vom Medienstandort?  die wir in Berlin entwickelt und produziert haben.
 Ich glaube tatsächlich, für eine Film- und Fernsehproduktions-
 firma hat es der Standort heute nicht viel leichter als früher. Wir   Was heißt neu und innovativ für Sie mit Blick auf die Film- und
 arbeiten mit kreativen Menschen, die Inspiration erwarten. Ihr   Fernsehlandschaft?
 ideales, kreatives Umfeld sind nicht unbedingt Wissenschafts-  Man sollte mit dem Begriff „neu“ nicht restriktiv umgehen. Jede
 institute, sondern eher ein urbanes, lebendiges Umfeld. Das am   Serie, die neu in den Sender kommt, ist erstmal neu. Das heißt,
 Standort zu finden, ist ein bisschen schwierig, aber es klappt.   Leute haben sich Gedanken gemacht, welche Geschichten noch
 Das Flair vor Ort hat sich komplett gewandelt.  nicht erzählt worden sind, wie man Zuschauer vor das lineare
 Fernsehen bekommt. Neu heißt für mich auch, sich mit neuen
 Worin erkennen Sie Ihre ganz eigene Handschrift bei Polyphon?  Verbreitungsformen zu beschäftigen oder neuen Erzählmöglich-
 keiten und über den Tellerrand zu blicken, wenn es um Beset-
 In  praktisch  allen  Projekten  (lacht).  In  vielen  schönen  Serien,
 zungen, Regisseure und andere kreative Mitarbeiter geht.
 neuen Reihen und auch in der Neugier auf neue Programme.




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