Page 17 - Adlershof Journal September/Oktober 2016
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CAMPUS
< Mit neuropsychologischen Tests will Norbert Kathmann
die Ursachen von Zwangsstörungen ergründen
Ein Anlaufpunkt für solche Patienten ist die Hochschulambulanz Die häufigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit
für Psychotherapie und Psychodiagnostik der Humboldt-Univer-
sität zu Berlin (HU) in Adlershof. Hier behandelt Norbert Kath-
mann, geschäftsführender Direktor des Instituts für Psychologie
der HU, vor allem Menschen mit Zwangsstörungen. Manche Erkrankungen des Herzens Sonstige Erkrankungen
und Gefäßsystems 8,60 % 15,52 %
leiden unter der Vorstellung, dass sie tödliche Krankheiten über-
tragen könnten, wenn sie Schmutz berührt haben. Die Folge:
Waschzwang, irgendwann auch panische Angst, überhaupt Krebs und andere
vor die Tür zu gehen. „Es gibt auch Fälle, in denen zwanghafte bösartige Geschwüre
16,35 % Erkrankungen des
Gedanken die Menschen peinigen. Das kann sehr schambehaftet
Skeletts und
sein, etwa wenn eine Mutter immer wieder denkt, sie könne ih- Bewegungsapparats
rem Kind etwas antun.“ 21,41 %
Wie helfen in Fällen, in denen erdrückende Gedanken und Vorstel- Unfälle
lungen sich nicht mehr abstellen lassen? Kathmann und seine 9,84 %
Kollegen setzen auf die sogenannte kognitive Verhaltensthera-
Nervenkrankheiten
pie: In einem ersten Schritt wird dem Problem in therapeutischen
28,64 %
Sitzungen auf den Grund gegangen. Es folgen Übungen, in de-
nen der Patient mit seinen Ängsten konfrontiert wird, zunächst Quelle: Morgen & Morgen, Stand 4/2015
in Begleitung des Therapeuten, später alleine zu Hause: „Die
Patienten sollen lernen, dass nichts passiert, wenn sie sich der
vermeintlichen Gefahr nähern und so ihre Angst überwinden. In
der Übung sollen sie zum Beispiel Schmutz anfassen, auch wenn
sie tödliche Bakterien fürchten“, sagt Kathmann. Was einfach
klingt, ist oft langwierig: Bis zu 60 Therapiestunden absolvieren wurden“, erklärt Kathmann. Noch ist nichts darüber bekannt, ob
die Betroffenen, die Übungen müssen sehr individuell ange- solche „Verletzlichkeiten des Gehirns“, wie Kathmann es formu-
passt werden. 50 bis 80 Prozent der Patienten profitieren, später liert, genetisch bedingt sind oder sich durch ein angstgeprägtes
erleiden aber manche einen Rückfall. Ohne Therapie, betont der familiäres Umfeld gewissermaßen eingefräst haben.
Psychologe, seien Zwangsstörungen gar nicht in den Griff zu be-
kommen. In diese Richtung will der 59-Jährige weiterforschen, auch um
eines Tages einer noch effektiveren Behandlung von Zwangsstö-
DEN URSACHEN Sie waschen aus Furcht vor ansteckenden Krankheiten Fast alle von Kathmanns Patienten nehmen an einem For- rungen näher zu kommen. Vorsichtige Versuche mit magneti-
ständig die Hände oder fahren in steter Sorge, einen
schungsprogramm teil, das den Ursachen der Zwangsstörungen
scher Stimulation des Hirns gibt es bereits: „Wir denken, mit ge-
tödlichen Unfall verursacht zu haben, immer wieder durch neuropsychologische Experimente auf den Grund geht. zielten Stimulationen bestimmter Bereiche des Gehirns könnten
wir mehr erreichen als mit Medikamenten.“ Seine Zunft müsse
Die Forscher schauen sich an, was in bestimmten Stresssituati-
DER ANGST die gleiche Strecke ab – Zwangsstörungen können onen im Gehirn von Erkrankten und Gesunden vor sich geht. In sich angesichts des Vormarschs psychischer Störungen auch Ge-
für die Betroffenen einen normalen Alltag unmöglich
machen. Am Institut für Psychologie der Berliner Tests müssen Versuchsteilnehmer unter Zeitdruck durch Knopf- danken machen über die ungleiche Verteilung von Therapiean-
druck zwischen Falsch und Richtig entscheiden. „Zwangskranke
geboten: „In Berlin-Charlottenburg gibt es an jeder Straßenecke
AUF DER SPUR Humboldt-Universität werden solche Patienten nicht produzieren im Gehirn ein verstärktes Alarmsignal für mögliche eine Praxis, auf dem Land können Sie lange suchen. Da ist noch
Raum für Optimierung.“ cw
Fehler, auch dann noch, wenn sie bereits erfolgreich therapiert
nur therapiert, sondern die Forscher gehen auch den
Ursachen solcher Erkrankungen auf den Grund und
feilen an Behandlungsmethoden der Zukunft.
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Psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch: Auf bis zu
32 Milliarden Euro könnten hierzulande bis 2030 allein die Krank- Zukunft gesund gestalten
heitskosten steigen, dabei sind die indirekten Kosten durch Fehl-
tage bei der Arbeit noch gar nicht mitgerechnet. Vor 20 Jahren
waren psychische Erkrankungen in den Statistiken zu Krank- Wir gestalten und optimieren gemeinsam mit Ihnen
schreibungen und Arbeitsunfähigkeit noch von untergeordneter Ihre Arbeitsräume und -prozesse.
Bedeutung. Heute seien sie die zweithäufigste Diagnosegruppe, – Ergonomieberatung
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hieß es 2015 im Gesundheitsreport des Dachverbandes der Be- – Arbeitsplatzanalyse Wir begleiten Sie, Ihre Mitarbeiter und Führungskräfte auf dem
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