Page 9 - Adlershof Journal September/Oktober 2016
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FORSCHUNG 25 JAHRE
Visionen zum Jubiläum FILME AUS DER ZELLE /////////////////////////
Ein Ziel ist es, die Elektronendichte in
THOMAS ELSÄSSER. Als einer von drei
Direktoren des Max-Born-Instituts (MBI)
leitet er den Bereich „Nichtlineare Prozes- Kristallen räumlich und zeitlich aufgelöst
zu messen. Gearbeitet werde an der Ent-
se in kondensierter Materie“. „Wir interes- wicklung von geeigneten laserbasierten
sieren uns für Strukturen, die sich verän- Röntgenmethoden. Elsässer hofft, diese
WÄRME ZU STROM ////////////// dern“, sagt der 58-jährige HU-Professor Methoden in den nächsten Jahren auch
für Experimentalphysik. Phasenüber- auf biologische Prozesse ausdehnen zu
SIMONE RAOUX. EMIL, SISSY und CAT, so heißen gänge oder chemische Reaktionen laufen können. Wie wird Energie dort gewon-
die neuen Labore, die an BESSY II, dem im Bereich von Femtosekunden (Milli- nen oder gespeichert? Wie wechselwirkt
Adlershofer Synchrotronring des Helmholtz- onstel einer Milliardstel Sekunde) ab. Mit die Zelle mit der Umgebung? Die am MBI
Zentrums Berlin (HZB), andocken. EMIL wird optischen Methoden wie Infrarotspektro- betriebene Kurzzeitphysik wird Antwor-
gerade mit ausgeklügelter Röntgenanaly- skopie und Röntgenbeugung können die ten auf solche Fragen finden, da ist sich
tik eingerichtet. „Hier können Proben syn- MBI-Forscher bereits filmen, wie Mole- Elsässer sicher.
thetisiert und untersucht werden, ohne das küle oder Atome hin und her schwingen.
Ultrahochvakuum unterbrechen zu müssen“, Noch schneller und zwar in Attosekunden
sagt Simone Raoux. Am Messplatz SISSY (Milliardstel einer Milliardstel Sekunde)
kommen Materialien für Photovoltaik und gehen Elektronenverschiebungen vor sich.
Thermoelektrik unter die Lupe. Der Forschung
an Katalysatoren dient der Messplatz CAT.
Raoux hat nach der Promotion etwa 25
Jahre lang in den USA mit spektroskopischen ///////////////////////////////// EFFEKTIVER DATENSCHUTZ
und mikroskopischen Methoden gearbeitet.
Seit Anfang 2014 leitet sie das HZB-Institut JOHANN-CHRISTOPH FREYTAG. Wie lässt der Preisverfall von Rechnerkapazitäten
„Nanospektroskopie für Design und Opti- sich in einer gläsernen oder „durchschau- mache die Sammelwut oft auch ökono-
mierung energierelevanter Materialien“. Im baren“ Gesellschaft Individualität erhal- misch attraktiv. Wichtig sei, dass der Nut-
September 2015 wurde sie Professorin an der ten? Diese Frage treibt Informatik-Profes- zer die Kontrolle behalte, vor allem wenn
Berliner Humboldt-Universität (HU). sor Johann-Christoph Freytag um. Studiert es um sensible Bereiche wie Gesundheit
hatte der gebürtige Berliner in Hamburg, oder Bewegung in der realen und virtu-
Mit ihrem 15-köpfigen Team designt die bevor er 1985 in Harvard promovierte. Seit ellen Welt gehe. Etwa durch Systeme wie
Physikerin nanostrukturierte Systeme und 1994 lehrt und forscht der 62-Jährige an „Tor“, um Daten im Netz zu anonymisie-
Hybridmaterialien. Ein besonderer Fokus sind der HU auf dem Fachgebiet Datenbanken ren. Man brauche mehr solcher Technolo-
thermoelektrische Materialien, die Wärme und Informationssysteme, das sich in letz- gien, um Sender und Empfänger zu ent-
in Strom verwandeln können. So lässt sich ter Zeit dank der „Big-Data-Technologie“ koppeln.
die Abwärme von Kraftwerken nutzen oder enorm entwickelt hat.
Körperwärme zum Antrieb von Herzschritt- Angesichts dieser komplexen Problema-
machern. Raoux möchte nun möglichst „Die digitalen Spuren, die wir als Indivi- tik ist zu erwarten, dass Freytags Wunsch
schnell EMIL betriebsfertig machen und duen, Gruppe oder Organisation hinter- in Erfüllung geht, noch viele interessante
zudem besonders leistungsfähige thermo- lassen, sind so umfangreich, dass Rück- Herausforderungen auf seinem Spezial-
elektrische Materialien herstellen. schlüsse auf die Urheber in einem bisher gebiet „Privacy und Datenmanagement“
unbekannten Maße möglich werden“, zu bekommen.
sagt Freytag. Die enorme Zunahme und
RECYCELN MIT LICHT ///////////////////////////
STEFAN HECHT. Für den Professor für Die Chemie werde, so prognostiziert der
Organische Chemie war schon als Schü- 42-Jährige, in den nächsten zehn Jah-
ler das Licht nicht nur erhellendes, son- ren leistungsfähigere Batterien entwi-
dern auch gestalterisches Medium. Auch ckeln und die Speicherung erneuerbarer
heute als Leiter einer Arbeitsgruppe mit Energie entscheidend verbessern. Zudem
30 Mitarbeitern ist Licht für ihn zentra- setzt er auf nachhaltige Kunststoffe, die
Seit dem Start 1991 wird der boomende Wissenschafts- les Werkzeug, exakt zu dosieren und gut man, anstatt sie zu verbrennen, mit Licht
und Technologiepark Adlershof von der Wista gemanagt. verfügbar, um bestimmte Reaktionen recyceln kann. Es werde adaptive Materi-
Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums hat unser Redakteur zu steuern. Mit Molekülen als winzigen alien geben, die sich an Umgebung oder
Bausteinen lassen sich Nanostrukturen Wetter anpassen und gleichzeitig Energie
Paul Janositz eine Adlershofer Wissenschaftlerin und drei
aufbauen. „Unsere Stärke sind ambi- gewinnen und selbstheilende Substan-
ihrer Kollegen um einen Blick in die Kristallkugel gebeten: valente Moleküle, die mit Licht in eine zen, die man zur Reparatur einfach mit
Was wird sich auf ihrem Gebiet in den nächsten Jahren andere Form gebracht werden und so eine Lampe bestrahlt. Langfristig möchte
tun, was sind die persönlichen fachlichen Ziele? Prozesse steuern können“, sagt Hecht. Hecht mit Licht auch „körpereigene mole-
So lassen sich etwa Transistoren und kulare Maschinen“, Ribosomen etwa, oder
Speicherelemente bauen, die sehr flexibel Pharmaka an- und ausschalten können.
und leicht sind.
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