MEDIEN
Die Leiche vor Anne Wills Studio
Ein Stuntman über Technik, Training,Tricks
Einen ordentlichen Beruf sollte er lernen, das war der Wunsch der Mutter. Sönke Korries hatte ganz andere Pläne – und das sehr früh. Inzwischen ist Korries mehr als 300 Mal überfahren worden. Unzählige Male ist er gestürzt, vor Autos, aus Fenstern und von Dächern, geprügelt hat er sich mit vielen, gebrannt hat er und auch erschossen wurde er gelegentlich. Dafür sieht Korries erstaunlich frisch aus. „Präzision und Vorsicht”, sagt der 44-Jährige, „sind die wichtigsten Eigenschaften eines Stuntman. Und eine Lebensversicherung.”
Die Leiche lag genau vor Anne Wills Studio. Klassisch – so wie man es aus dem Fernsehen kennt – der Körper mit weißer Kreide umrissen. Das Opfer ist von einem Polizeiwagen angefahren worden. Mehr als 30 Zeugen gibt es, der Vorfall ist auf Video festgehalten. Keine zwei Meter vom Tatort sitzen die Zuschauer der Stuntshow im sogenannten Dekogang der Studios in Berlin Adlershof. Der befindet sich an der Rückseite der Fernsehstudios, in denen Sendungen wie „Hart, aber fair“ und „Anne Will“ entstehen oder – ganz passend – die „Soko Wismar“ ermittelt, die regelmäßig ihr Kommissariat hier aufbaut.
Von der Schlägerei bis zum „Car-Hit“
Knapp zwei, drei Meter breit bietet er Platz für eine besondere Show. Hautnah erleben Zuschauer und Besucher, wie Stunts für Film und Fernsehen entstehen. „Kein crash, boom, bang“, sagt Sönke Korries, der die Show entwickelt hat. Trotzdem wird alles geboten, was zu guter (Action-)Unterhaltung gehört. Eine zünftige Schlägerei, die Air Ramp – ein Katapult, der explosive Sprünge erlaubt, das Flying-Rig, ähnlich dem, an dem Tom Cruise sich in Mission Impossible eindrucksvoll abseilt – und natürlich der „Car-Hit“, bei dem der Stuntman auf die Kühlerhaube des Autos fliegt und durch dessen bremsen zurück auf die Straße rollt.
Lernen bei Winnetou und Old Shatterhand
Den Wunsch der Mutter hat Korries dennoch respektiert. Denn seine Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker passte genau in seinen Plan. Als die Schüler seiner neunten Klasse 1984 ihre Berufspraktika in Büros, Handwerksbetrieben oder in der Landwirtschaft verbringen, nimmt der 14-Jährige aus dem 300-Seelen-Dorf in Schleswig-Holstein all seinen Mut zusammen und fährt nach Bad Segeberg. Bei Winnetou und Old Shatterhand findet er eine Stuntcrew und – nachdem auch die Schule das Praktikum absegnet hat – verbringt er drei Jahre, immer in den Ferien, schaut, lernt, baut auf und ab – trotz akuter Pferdehaarallergie. Der junge Korries will Stuntman werden. Stunts darf er hier nicht machen, aber er lernt eine Menge über Pyrotechnik. Und die Crew macht für den Serienhit „Schwarzwaldklinik“ die Stunts – zwei pro Folge.