Page 14 - Adlershof Journal März/April 2016
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MEDIEN
Die perfekte Illusion
Schauspieler, die in einem Bild mehrfach auftauchen, Zwerge, die mit Riesen kämpfen, Superhelden, die durch
die Großstädte fliegen oder Schlachtengewimmel mit Tausenden von Kriegern. Kaum ein Kinofilm kommt heute
ohne Spezialeffekte aus. Dafür werden häufig Bilder aus verschiedenen Quellen übereinandergelegt und
zusammengerechnet. Damit das Ergebnis für den Zuschauer realistisch wirkt, muss die Kamera, die die verschie-
denen Bilder fotografiert, in jeder Aufnahme auf 100stel Millimeter exakt die gleichen Bewegungen vollziehen.
Präzision, die per Hand nicht zu erreichen ist. Deshalb wurden Kameraroboter wie der Milo Long Arm entwickelt.
Nur vier Stück gibt es auf der Welt – einen davon in einem alten Hangar in Adlershof bei mastermoves motion
control, einem Tochterunternehmen der Visavis Filmproduktion.
Tausende Menschen stehen an der Reling und winken zum Viertausend Komparsen in historischen Kostümen – das kostet
Abschied. Langsam bewegt sich das modernste Schiff seiner Zeit eine Menge Zeit, logistischen Aufwand und Geld. Es geht auch
aus den Docks von Southampton. Vierzig Mal, erzählt Stephan schneller und kostengünstiger: Um hundert Menschen wie vier-
Horst, Geschäftsführer der Visavis Filmproduktion, sei die Sze- tausend aussehen zu lassen, dreht der Kameraroboter vierzig
ne für James Camerons Kinohit Titanic gedreht worden, mit Mal die gleiche Szene, macht exakt dieselben Kamerafahrten
jeweils nur 100 Statisten. Mithilfe eines ausgeklügelten Kamera- und -bewegungen in exakt der gleichen Zeit. Der einzige Unter-
Roboter-Systems wurden sie einfach vervielfältigt. Systeme wie schied: Die Komparsen stehen in jeder Wiederholung woanders.
der Milo Long Arm und Spezialisten wie dessen „Operatoren“ Anschließend werden die einzelnen Szenen zusammengefügt
machen Effekte möglich, die früher in Aufnahmen mit bewegter und tausende Menschen winken fröhlich von Bord hinab. Crowd
Filmemacher Stephan Horst (l.) und Marcel Neumann im neuen Studio, das im Hangar in der Boltzmannstraße entsteht
Kamera unmöglich waren. Replication – die Vervielfältigung einer Menschenmenge – nennt
sich das Verfahren. Dank dieses Verfahrens hatte zum Beispiel
auch Frodo der Hobbit unzählige Mitkämpfer – und ebenso viele
Widersacher.
„Crowd Replication und andere Spezialeffekte“, erklärt Stephan wie gerade in der Produktion „Hilfe, ich habe meine Lehrerin ge-
Horst, „verlangen eine Präzision, die mit einer handgeführten schrumpft“. Für diese Komödie hat das mastermoves-Team die
Kamera nicht möglich ist.“ Die Kombination mehrerer bewegter Schauspielerin Anja Kling auf ein Zehntel ihrer Größe schrumpfen
Einstellungen zu einem Bild, zum Beispiel gedrehter und auch lassen.
computergenerierter Bilder, funktioniert nur, wenn die Bewe-
gungsabläufe aller Bilderquellen gleich sind und jedes der zu- Zum Jahreswechsel 2016 zogen die 30 Mitarbeiter visavis und
sammengehörenden Einzelbilder den gleichen Entstehungsort mastermoves von Kreuzberg nach Adlershof. Der alte Hangar
hat. Die Bildfrequenz der Kamera synchronisiert dabei alle wurde mittlerweile zu einem Filmstudio umgebaut. Weltweit
Bewegungen – mit bis zu 2.000 Bildern in der Sekunde. einzigartig ist die hochpräzise Schwerlastdrehscheibe im Boden
und das lotrecht darüber hängende drehbare Lichtrig mit einem
Das wichtigste Werkzeug für solche Spezialaufgaben sind Durchmesser von zwölf Metern. In Kombination mit den Robo-
Motion-Control-Roboter wie der Milo Long Arm. 1999 hat der tern sind so hochkomplexe Kamerabewegungen möglich. Regel-
in Großbritannien entwickelte Kameraroboter für seine Ver- mäßig wird das neue Studio auch für Testinstallationen genutzt.
dienste um die Entwicklung visueller Spezialeffekte in Spiel-
filmen sogar einen Oscar eingeheimst. In Verbindung mit den Jedes Filmprojekt ist einzigartig und oft muss die technische
18 Meter Schienen bewegt der Milo Long Arm die Kamera auf Lösung erst entwickelt werden. Nur diese erstklassige Vorbe-
einer Fläche von mehr als 300 Quadratmetern. Mit seinen reitung stellt sicher, dass am Drehtag alles rundläuft. Denn: Die
16 Achsen erreicht er eine Objektivhöhe von sechs Metern. Herstellung von Filmen kostet viel Geld und visuelle Effekte
Dadurch ist es möglich, Menschenmengen ohne Komparsen - funktionieren nur, wenn sie perfekt gemacht sind. rb
massen oder Zwerg-Riese-Relationen im Film darzustellen,
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